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31. Oktober 2022

Vermehrte psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz; moderner Arbeitsschutz; krankheitsbedingte Kündigung

Arbeitsunfähigkeitstage, die durch psychische Erkrankungen verursacht werden, wachsen stetig an. Dies führt neben hohen Entgeltfortzahlungskosten regelmäßig zu Störungen in den betrieblichen Abläufen.

Weist ein Arbeitnehmer über mehrere Jahre hohe Krankheitszeiten auf, kommt eine krankheitsbedingte Kündigung in Betracht. Diese kann sozial gerechtfertigt i.S.d. § 1 Abs. 1 KSchG sein, wenn u.a. folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Durch die Krankheit des Arbeitnehmers werden die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers nachhaltig beeinträchtigt. Dies kann der Fall sein, wenn Entgeltfortzahlungskosten im Umfang von mehr als sechs Wochen im Jahr anfallen.
  • Es liegt eine sog. negative Gesundheitsprognose des Arbeitnehmers vor. Dies ist gegeben, wenn die Erwartung besteht, dass der Arbeitnehmer künftig mehr als sechs Wochen im Jahr krank sein wird. Hiervon kann (widerleglich) ausgegangen werden, wenn der Arbeitnehmer in den vergangenen (z.B. drei) Jahren regelmäßig in einem solchen Umfang krank war. 
  • Die krankheitsbedingte Kündigung muss verhältnismäßig, d.h. insbesondere erforderlich sein. Hieran fehlt es, wenn zumutbare Präventionsmaßnahmen in Betracht kommen, mit welchen der Arbeitgeber die künftige Erkrankung des Arbeitnehmers verhindern könnte. Hat der Arbeitgeber kein ordnungsgemäßes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM-Verfahren) durchgeführt, ist die Darlegungs- und Substantiierungslast des Arbeitgebers oft unerfüllbar hoch, was meist zu einem Unterliegen in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren führt. 
    Hat der Arbeitgeber dagegen vor Ausspruch einer Kündigung ein fehlerfreies BEM-Verfahren durchgeführt, das zu keinem positiven Ergebnis gelangt ist oder hat der Arbeitnehmer die Durchführung eines ordnungsgemäß angebotenen BEM-Verfahrens abgelehnt, kann der Arbeitgeber im gerichtlichen Verfahren pauschal vortragen, es gebe keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Allerdings wäre eventuell ein neues BEM-Verfahren durch den Arbeitgeber durchzuführen, wenn er nicht unmittelbar nach Scheitern des BEM-Verfahrens die Kündigung ausspricht und wenn der Arbeitnehmer erneut weitere sechs Wochen erkrankt. 

Im Umgang mit psychischen Erkrankungen empfiehlt es sich, folgende rechtliche Anforderungen zu beachten: 

  • Auch im Eigeninteresse sollten Arbeitgeber ihre Rechtspflicht erfüllen, Gefährdungen für die psychische Gesundheit ihrer Arbeitnehmer zu ermitteln und zu reduzieren, indem sie eine systematische Gefährdungsbeurteilung durchführen. 
  • Erkranken einzelne Arbeitnehmer psychisch bedingt, kommt einem betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM-Verfahren) eine besonders hohe Bedeutung zu. Es ist zum einen geeignet, mögliche Maßnahmen zur Reduzierung der psychischen Belastungen des Arbeitnehmers — und damit bestenfalls seiner krankheitsbedingten Fehlzeiten — zu identifizieren. Zum anderen ist eine ordnungsgemäße Durchführung bzw. ein ordnungsgemäßer Abschluss eines solchen BEM-Verfahrens i.d.R. Voraussetzung für den Ausspruch einer rechtsgültigen krankheitsbedingten Kündigung. 
  • Zu beachten ist in jedem Fall aber auch, dass bei der Verarbeitung der (psychischen) Gesundheitsdaten der Arbeitnehmer die strengen Vorgaben nach § 26 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 22 Abs.2 BDSG eingehalten werden und angemessene und spezifische Datenschutzmaßnahmen durchgeführt werden.

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